Kirchen – Käfer werden ausgeräuchert

Volksstimme - 26.08.2021

In Rothensee wird ein Gotteshaus imKampf gegen einen Schädling eingepackt

Von Ivar Lüthe

Rothensee. Ganz so spektakulär wie 1995, als der imvergangenen Jahr verstorbene Verhüllungskünstler Christo den

Berliner Reichstag eingepackt hat, ist es vielleicht nicht. Doch auch die Reformationskirche in Rothensee verschwindet großflächig unter riesigen Folien. Das Gotteshaus wird luftdicht eingepackt, damit es dem Schädling an den Kragen gehen kann.
Denn schon seit einigen Jahren ist hier der Wurm drin, besser gesagt der Holzwurm oder auch Gemeiner Nagekäfer. Seine Spuren hat er deutlich hinterlassen: vor allem in den Sitzbänken, aber auch an vielen anderen Holzteilen sowie in Teilen des Gebälks im Dachstuhl und im Turm. Im vergangenen Jahr hätten die Spuren des Befalls so massiv zugenommen, dass deutlich wurde, dass eine Begasung zur Sicherung der Holzsubstanz unumgänglich wird, so Pfarrer Christian Peisker.

Gemeinsam mit der Baureferentin des Kirchenkreises sowie einer Fachfirma aus Dresden wurde die Aktion langfristig vorbereitet. Experten des Umweltamtes sowie ein Fledermausexperte
nahmen jeden Winkel der Kirche und des Turms unter die Lupe, um sicherzustellen, dass sich keine geschützten Arten in der Kirche aufhalten. Gestern nun rückte die Firma an und begann damit, die Kirche einzupacken. 1200 Quadratmeter Folie und rund 1,5 Kilometer Klebeband sind dafür notwendig. Das Dach des Kirchenschiffs verschwand gestern bereits bis unter die Traufe unter den Planen, heute soll noch der Kirchturm abgedichtet werden, sagt Marco Müller, Geschäftsführer der Groli Schädlingsbekämpfung GmbH. Seine Firma hat bereits zahlreiche Kirchen in Deutschland eingehüllt und begast.
Wenn alles luftdicht ist,dann kommt das Gas zum Einsatz. Dabei handele es sich um ein in Deutschland zugelassenes Biozid, das alle Stadien eines Insektes – von Eiern über Larven und Puppen bis zum Vollinsekt – abtötet. Dieses Mittel wird unter anderem auch zum Schutz von Vorräten eingesetzt. Insbesondere Nüsse und Schokoladenprodukte werden regelmäßig zum Abtöten von Käfern und Motten mit dem Wirkstoff behandelt, sagt Müller. Von heute bis Sonntag wird das Gotteshaus begast. Während dieser Zeit werden Kontrollmessungen außerhalb der Kirche und im Bereich der angrenzenden Wohngebäude durchgeführt, um sicherzustellen, dass auch nichts entweicht. Am Montag soll die Kirche unter ständiger Überprüfung belüftet werden. Das Gas zerfällt dabei, so dass keinerlei giftige Substanzen in die Umgebung abgegeben werden, erklärt Müller.

Testhölzer in der Kirche ausgelegt

Um den Erfolg der Begasungsaktion auch zu überprüfen und nachzuweisen, sind in der Kirche mehrere verplombte Holzbalkenstücke mit dem Schädling ausgelegt worden. Ist der Schädling in den Prüfstücken tot, dann ist er es auch in den
Holzteilen der Kirche. „Der Befall in der Kirche ist schon recht stark. Wenn man jetzt nicht handelt, würde es schlimmer werden und es könnte passieren, dass es an einigen Holzbauteilen zu statischem Versagen kommt. Dann müssten diese komplett erneuert werden“, so Müller.
Zwei bis acht Jahre lebt so ein Holzwurm und frisst in dieser Zeit in etwa so viel Holz wie in eine Espressotasse passt, verdeutlicht Müller. Dann verpuppt sich die Larve und wird zum Nagekäfer, der 20 bis 40 Eier legt und nach drei bis vier Wochen stirbt. Die Begasungsaktion wird auch gleich dazu genutzt, um andere befallene Holzgegenstände vom Schädling befreienzu lassen. Dazu haben einige Einzelpersonen und Institutionen im Vorfeld Möbelstücke und mehr in die Kirche gestellt.
Für die Zeit der Schädlingsbekämpfung ist das Gotteshaus natürlich geschlossen. Bis zum 2. September soll sie für Besucher unzugänglich sein.

Um 1300 wurde in Rothensee aus Feldsteinen die erste Dorfkirche erbaut. Sie ist im Dreißigjährigen Krieg stark beschädigt und anschließend erneuert worden. 1908 musste die spätromanische Kirche wegen Baufälligkeit abgerissen werden. 1909/10 entstand die neugotische, in Backstein ausgeführte Reformationskirche. Die Orgel, ein Werk des Orgelbaumeisters Ernst Röver aus Hausneindorf, stammt aus der Immanuelkirche in Prester.

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